Die Rede für den Schauspieler "Wamsedoll"
Von Jürgen Dieter Ueckert
Kennen
Sie das? Da betritt einer die Bühne - unscheinbar, nicht größer als 150
- aber seine Stimme: wie Charles Bronson in Cinemascope.Das Gegenteil
dazu: ein Mann wie ein Bär, 1,98 Meter, Kinder würden sagen „der Riese
Wamsedoll“ - und eine Stimme: rund, wohlgefällig, einnehmend, angenehm.
Wolfram Ehrenfried stört seine wuchtige Erscheinung nicht - er will sie
nur konsequent spielen.
Im Fernsehen sah man ihn schon
als Bodyguard, Drogendealer, Türsteher. So wird das Klischee bedient. In
Heilbronn und auf Tournee spielte er im Nathan den Tempelherrn.
Intendant Klaus Wagner war sein Nathan. Wer die Inszenierung kennt,
weiß, daß Wagner das Stück über die Toleranz mit sparsamen Mitteln, sehr
direkt auf den Punkt gebracht hatte. Die Heilbronner Gesellenprüfung
für Wolfram Ehrenfried.
Beeindruckt hat Wolfram
Ehrenfried die Isreal-Reise des Theaters mit gerade diesem Stück.
Deutsche erzählen mit Theater den Juden und Palästinensern eine
Geschichte über Toleranz zwischen Christen, Juden und Moslems. Ein sehr
gewagtes Unterfangen.Trotzdem: Für Ehrenfried war das Vorhaben eine
„phantastische Idee“ - und die Ausführung eine „wunderbare Sache“. Das
mag lapidar klingen - aber er hat recht: Nur mit Phantasie und den
Glauben an Wunder kann das Grauen aus Vergangenheit und Gegenwart
überwunden werden. Wie denn sonst!?
Aus Winterbach bei
Schorndorf kommt er, der Waldorfschüler. Nahe dem schwäbischen Kernland
des Pietismus. Da sind Wunder nie allzufern. Der einst strikte
Autogegner, Schulschauspieler, Zivildienstleistende - er geht nach dem
Abitur lange mit dem Wunsch schwanger, Schauspieler zu werden. „Aber ich
war noch nicht soweit“ sagt er heute.
Übrigens: den
Führerschein hat der vehemente Autogegner zwischenzeitlich hier in
Heilbronn gemacht, im Zwei-Wochen-Schnellkurs. Und eine Zeit lang besaß
er sogar zwei Autos. Nebenberuflich ist er dazu noch als Inhaber einer
Firma für Telekommunikation tätig. Nun kann man sagen: typisch
schwäbisch. Man kann aber auch sagen: Der Mann achtet auf finanzielle
Unabhängigkeit.
Denn Theater ist sein Herzblut. Und
dafür braucht es Freiräume, um als Schauspieler anpacken zu können, was
man liebt. Verstand und Herz leben bei ihm äußerst solidarisch
aufeinander abgestimmt.
Im Herbst 1989, dem Jahr des
Umbruchs in Deutschland, Aufnahmeprüfung an der Berliner Schule für
Bühnenkunst. Es hält Wolfram Ehrenfried dort nur fünf Monate. An der
Hochschule für Musik und Theater in Hannover bleibt er länger. Im Juli
1994 legt er sein schriftliches Diplom ab, das praktische folgt in
Hamburg in der Regieklasse von Jürgen Flimm.
Danach hat
er Angebote - und schlägt sie aus.Der Schauspieler Wolfram Ehrenfried
fühlt sich für seinen erlernten Beruf noch nicht reif genug.
Kopfschütteln bei den Kollegen. Als Musiker und Chorleiter jobt er dann,
ist ein Jahr lang künstlerischer Berater der Stadthalle Heidelberg,
arbeitet als Discjockey - und liebt diese Tätigkeit heiß und innig,
übrigens heute noch.
Aber was will er? Er will seine
Persönlichkeit entwickeln, lernen sich abgrenzen, um frei zu sein. Eine
Notwendigkeit im Theaterbetrieb, wo Emotionen ein Teil des Handwerks
sind. Selbstachtung und Selbstvertrauen will Ehrenfried erlangen, die
Voraussetzung, um andere zu achten. Darüber verfügt er offenbar, als er
nach Heilbronn kommt - und im Dezember 1997 zum Beispiel 56
Vorstellungen spielt. „Ich bin hier zur Ruhe gekommen,“ lautet sein
Kommentar - damals. Das war zu jener Zeit, als er noch täglich 30
Kilometer zwischen seinem Wohnort Talheim und der Heilbronner
Arbeitsstätte mit dem Fahrrad herunterreißt.
Ein
anderer Ehrenfried-Satz: „Nicht Ehrgeiz, sondern Hingabe, so definiere
ich mich im Beruf. Keinen beruflichen Schritt, ohne zwei persönliche
dazu zu tun.“ Als er in „Mäusen und Menschen“ als Lennie sich auf der
Heilbronner Bühne zeigt, da macht er diese Selbsteinschätzung sicht- und
hörbar. Selten kommt es im Theater vor, daß Kritik und Publikum , aber
auch der Theaterapparat (und der ist ja noch oft viel kritischer)
einhellig zur Ansicht gelangen: diese Inszenierung ist eine Sternstunde
am Heilbronner Theaterhimmel.
Wolfram Ehrenfried weiß
schon vor der Premiere: das wird ein Hammer. Aber es wurde mehr - für
ihn. Deshalb zitiere ich jetzt einen Kollegen: „Als wäre er direkt aus
dem Roman entsprungen steht Wolfram Ehrenfried da, rund zwei Meter groß,
die Hände wie Bratpfannen. Solch ideale Körpermaße sind freilich
beeindruckend, wirklich ergreifend ist aber sein Spiel: Wie dieser große
Kerl gepackt wird von seinen Emotionen, von kindlicher Freude, von
niederdrückender Furcht und einmal auch von unbändiger Wut, das ist
Schauspielkunst der feinsten Art. Wäre es ein Spielfilm, müßte Wolfram
Ehrenfried am 21. März den Oskar bekommen.“ - Den hat er nicht
bekommen.
Dafür diesen Kritiker-Oscar. Den Heilbronner
Oscar für die beste Leistung in einer männlichen Hauptrolle, den
Kilianpreis, den bekommt er heute.Und noch eine Anmerkung: Bei der
Götz-Premierenfeier in Jagsthausen, sagte mir Alexander Kerst: Der beste
auf der Bühne war der Lerse. Und den spielt bekanntlich Wolfram
Ehrenfried bei den Burgfestspielen. Noch nen Oscar.
Ich
wollte von Wolfram Ehrenfried wissen, wie das so ist, wenn er auf die
Bühne geht: „Ich bin ich ganz leer“, antwortete er. „Und dann erzähle
ich eine Geschichte. Wie ich sie erzähle, das wurde wohlüberlegt, genau
und mühselig während der Proben erarbeitet. Auf der Bühne zeige ich nur
noch, was ich von dieser Arbeit verinnerlicht habe. Das versuche ich
dann den Zuschauern zu schenken. Mehr nicht. Und wenn ich damit in den
Herzen der Zuschauer ankomme, und dahin will ich, dann habe ich mein
Ziel erreicht.“
Ich kann abschließend nur feststellen:
Stehende Ovationen, lieber Wolfram Ehrenfried, waren die Rückmeldungen
vom Publikum: Sie sind mit dem Lennie in den Herzen ihrer Zuschauer
angekommen.
Im Theaterverein Heilbronn
am 18. Juli 1999
in den Kammerspielen
des Stadttheaters Heilbronn
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