Samstag, 29. März 2014

Stadttheater Heilbronn - Kilianpreis für Wolfram Ehrenfried (1999)

Die Rede für den Schauspieler "Wamsedoll"

Von Jürgen Dieter Ueckert

Kennen Sie das? Da betritt einer die Bühne - unscheinbar, nicht größer als 150 - aber seine Stimme: wie Charles Bronson in Cinemascope.Das Gegenteil dazu: ein Mann wie ein Bär, 1,98 Meter, Kinder würden sagen „der Riese Wamsedoll“ - und eine Stimme: rund, wohlgefällig, einnehmend, angenehm. Wolfram Ehrenfried stört seine wuchtige Erscheinung nicht - er will sie nur konsequent spielen.

Im Fernsehen sah man ihn schon als Bodyguard, Drogendealer, Türsteher. So wird das Klischee bedient. In Heilbronn und auf Tournee spielte er im Nathan den Tempelherrn. Intendant Klaus Wagner war sein Nathan. Wer die Inszenierung kennt, weiß, daß Wagner das Stück über die Toleranz mit sparsamen Mitteln, sehr direkt auf den Punkt gebracht hatte. Die Heilbronner Gesellenprüfung für Wolfram Ehrenfried.

Beeindruckt hat Wolfram Ehrenfried die Isreal-Reise des Theaters mit gerade diesem Stück. Deutsche erzählen mit Theater den Juden und Palästinensern eine Geschichte über Toleranz zwischen Christen, Juden und Moslems. Ein sehr gewagtes Unterfangen.Trotzdem: Für Ehrenfried war das Vorhaben eine „phantastische Idee“ - und die Ausführung eine „wunderbare Sache“. Das mag lapidar klingen - aber er hat recht: Nur mit Phantasie und den Glauben an Wunder kann das Grauen aus Vergangenheit und Gegenwart überwunden werden. Wie denn sonst!?

Aus Winterbach bei Schorndorf kommt er, der Waldorfschüler. Nahe dem schwäbischen Kernland des Pietismus. Da sind Wunder nie allzufern. Der einst strikte Autogegner, Schulschauspieler, Zivildienstleistende - er geht nach dem Abitur lange mit dem Wunsch schwanger, Schauspieler zu werden. „Aber ich war noch nicht soweit“ ­ sagt er heute.

Übrigens: den Führerschein hat der vehemente Autogegner zwischenzeitlich hier in Heilbronn gemacht, im Zwei-Wochen-Schnellkurs. Und eine Zeit lang besaß er sogar zwei Autos. Nebenberuflich ist er dazu noch als Inhaber einer Firma für Telekommunikation tätig. Nun kann man sagen: typisch schwäbisch. Man kann aber auch sagen: Der Mann achtet auf finanzielle Unabhängigkeit.

Denn Theater ist sein Herzblut. Und dafür braucht es Freiräume, um als Schauspieler anpacken zu können, was man liebt. Verstand und Herz leben bei ihm äußerst solidarisch aufeinander abgestimmt.

Im Herbst 1989, dem Jahr des Umbruchs in Deutschland, Aufnahmeprüfung an der Berliner Schule für Bühnenkunst. Es hält Wolfram Ehrenfried dort nur fünf Monate. An der Hochschule für Musik und Theater in Hannover bleibt er länger. Im Juli 1994 legt er sein schriftliches Diplom ab, das praktische folgt in Hamburg in der Regieklasse von Jürgen Flimm.

Danach hat er Angebote - und schlägt sie aus.Der Schauspieler Wolfram Ehrenfried fühlt sich für seinen erlernten Beruf noch nicht reif genug. Kopfschütteln bei den Kollegen. Als Musiker und Chorleiter jobt er dann, ist ein Jahr lang künstlerischer Berater der Stadthalle Heidelberg, arbeitet als Discjockey - und liebt diese Tätigkeit heiß und innig, übrigens heute noch.

Aber was will er? Er will seine Persönlichkeit entwickeln, lernen sich abgrenzen, um frei zu sein. Eine Notwendigkeit im Theaterbetrieb, wo Emotionen ein Teil des Handwerks sind. Selbstachtung und Selbstvertrauen will Ehrenfried erlangen, die Voraussetzung, um andere zu achten. Darüber verfügt er offenbar, als er nach Heilbronn kommt - und im Dezember 1997 zum Beispiel 56 Vorstellungen spielt. „Ich bin hier zur Ruhe gekommen,“ lautet sein Kommentar - damals. Das war zu jener Zeit, als er noch täglich 30 Kilometer zwischen seinem Wohnort Talheim und der Heilbronner Arbeitsstätte mit dem Fahrrad herunterreißt.

Ein anderer Ehrenfried-Satz: „Nicht Ehrgeiz, sondern Hingabe, so definiere ich mich im Beruf. Keinen beruflichen Schritt, ohne zwei persönliche dazu zu tun.“ Als er in „Mäusen und Menschen“ als Lennie sich auf der Heilbronner Bühne zeigt, da macht er diese Selbsteinschätzung sicht- und hörbar. Selten kommt es im Theater vor, daß Kritik und Publikum , aber auch der Theaterapparat (und der ist ja noch oft viel kritischer) einhellig zur Ansicht gelangen: diese Inszenierung ist eine Sternstunde am Heilbronner Theaterhimmel.

Wolfram Ehrenfried weiß schon vor der Premiere: das wird ein Hammer. Aber es wurde mehr - für ihn. Deshalb zitiere ich jetzt einen Kollegen: „Als wäre er direkt aus dem Roman entsprungen steht Wolfram Ehrenfried da, rund zwei Meter groß, die Hände wie Bratpfannen. Solch ideale Körpermaße sind freilich beeindruckend, wirklich ergreifend ist aber sein Spiel: Wie dieser große Kerl gepackt wird von seinen Emotionen, von kindlicher Freude, von niederdrückender Furcht und einmal auch von unbändiger Wut, das ist Schauspielkunst der feinsten Art. Wäre es ein Spielfilm, müßte Wolfram Ehrenfried am 21. März den Oskar bekommen.“ - Den hat er nicht bekommen.

Dafür diesen Kritiker-Oscar. Den Heilbronner Oscar für die beste Leistung in einer männlichen Hauptrolle, den Kilianpreis, den bekommt er heute.Und noch eine Anmerkung: Bei der Götz-Premierenfeier in Jagsthausen, sagte mir Alexander Kerst: Der beste auf der Bühne war der Lerse. Und den spielt bekanntlich Wolfram Ehrenfried bei den Burgfestspielen. Noch nen Oscar.

Ich wollte von Wolfram Ehrenfried wissen, wie das so ist, wenn er auf die Bühne geht: „Ich bin ich ganz leer“, antwortete er. „Und dann erzähle ich eine Geschichte. Wie ich sie erzähle, das wurde wohlüberlegt, genau und mühselig während der Proben erarbeitet. Auf der Bühne zeige ich nur noch, was ich von dieser Arbeit verinnerlicht habe. Das versuche ich dann den Zuschauern zu schenken. Mehr nicht. Und wenn ich damit in den Herzen der Zuschauer ankomme, und dahin will ich, dann habe ich mein Ziel erreicht.“

Ich kann abschließend nur feststellen: Stehende Ovationen, lieber Wolfram Ehrenfried, waren die Rückmeldungen vom Publikum: Sie sind mit dem Lennie in den Herzen ihrer Zuschauer angekommen.

Im Theaterverein Heilbronn
am 18. Juli 1999
in den Kammerspielen
des Stadttheaters Heilbronn

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