Samstag, 29. März 2014

Stadttheater Heilbronn - Portraits - Angelika Hart, Schauspielerin (2006)

Angelika Hart, Schauspielerin am Heilbronner Stadttheater

Sie ließ sich gern nach Heilbronn verführen

Von Jürgen Dieter Ueckert

IM STERNZEICHEN Waage wurde Angelika Hart am 12. Oktober 1965 geboren. In Rodewisch im Vogtland – damals noch DDR, „bei einem kleinen zänkischen Bergvolk“, wie sie heute die Vogtländer zärtlich umschreibt. In der von Textilindustrie geprägten Landschaft lebte die Tochter eines Lehrers jedoch nur vier Jahre lang. Dann zog sie mit ihren Eltern nach Leipzig.

KÜNSTLERISCHE Prägungen gab ihr der Vater mit, der zunächst in einer Amateur Kabarettgruppe spielte, dann die „Academixer“ in Leipzig gründete – ein bis heute im Osten Deutschlands bekanntes und berühmtes Kabarett. Angelika Hart wuchs jedoch nach der Scheidung der Eltern bei ihrer Mutter auf, einer gelernten Industrieschneiderin, die in Leipzig als Abteilungsleiterin arbeitete. Sie hat noch zwei Halbgeschwister, die zehn und zwanzig Jahre jünger als sie sind.

DIE ERINNERUNG an die Schulzeit ruft bei ihr spontan den Satzhervor: „Ich war immer eine gute Schülerin.“ Der Freundeskreis war für sie eine „Quasifamilie“. Gemeinsame Urlaube und Fahrradtouren festigten den Zusammenhalt. In der kommunistischenDiktatur zog man sich automatisch in die Privatsphäre zurück – um dem Druck zu entgehen, „was wir zu sagen und zu denken hatten“. Sie arbeitete im „Pionierkabarett“ mit, sang auch im Chor – „und ich habe ohne Ende gelesen“. In der Zeit vor dem Abitur, da „wusste ich schon, was ich mal beruflich machen wollte“.

DIE BÜHNE war das Ziel. „Ab 15 oder 16 Uhr ging ich schon allein ins Theater – alles, was geboten wurde, konsumierte ich – ob Oper, Operette, Schauspiel oder Kabarett.“ Die Prüfung an der Schauspielschule in Leipzig war für Angelika Hart „der grausigste Tag in meinem Leben“. Vorher hatte sie sich als „echte Alternative“ zurechtgelegt: „Wenn du in der Schauspielschule durchfällst, dann studierst du Physik in Dresden.“ Wie die heutige Bundeskanzlerin Angela Merkel.

VORSPRECHROLLEN hatte sie aus Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“ und Brechts „Der Gute Mensch von Sezuan“ ausgewählt. Und sie wurde prompt genommen. Zehn Dozenten hatten zu entscheiden. Das Ergebnis: 10 zu 0 für Angelika Hart. „Ein gutes Studium war es – keine Studiengebühren, aber 200 Mark Stipendium.“ Zehn Mark kostete dieMiete, fünf Pfennig das Brötchen, ein Bier 50 Pfennig und ein Essen 1,20 Mark. „Uns hat es einfach an nichts gefehlt“, erinnert sich Angelika Hart, die von 1984 an vier Jahre lang studierte. Erstes Engagement dann in Neustrelitz, einem Dreispartenhaus.

UMBRUCH lautete in dieser Zeit das politische Stichwort: „Diepersönliche Karriere als Schauspielerin hat nicht interessiert.“ Angelika Hart diskutierte 1989/90 an runden Tischen – „wir wollten uns unsere Zukunft erkämpfen“. Bis den Bürgerbewegten klar wurde, „dass wir lediglich bundesrepublikanisch werden“. Das Volk hatte sich nämlich für eine Zukunft entschlossen, so ihre bittere Einsicht, „die nichts mit dem zu tun hatte, für das wir gekämpft hatten“. Trotzdem erinnert sie sich gern an jene Zeit, „als man sagen konnte, was man wollte – die Zensur kapitulieren musste, wenn man Politiker ernst nimmt“.

DIE FRAGE für Angelika Hart lautete: „Bleibe ich noch Schauspielerin.“ Sie wohnte in Berlin, gastierte drei Jahre am Cottbusser Staatstheater – und hatte dort einen „unglaublich tollen Vertrag“. 1991 wurde Tochter Julie geboren, 1997 Luise. Geheiratet hat sie nicht, „weil der Vater der Kinder nicht so auf Familie steht“. 1998 ging es dann ans Stadttheater Baden-Baden. „Ein Kulturschock – von der Kulturmetropole Berlin in die badische Provinz.“ Am Anfang glaubte sie: „Das hältst du nicht aus.“ Aber sie hat unentwegt gespielt, „tolle Rollen – wie die Piaf“.

NACH HEILBRONN wurde sie vom Intendanten Klaus Wagner 2002 zum Vorsprechen eingeladen. „Na, dachte ich mir, da musst du mal hinsemmeln.“Und Wagner stürzte sich auf sie „wie der Teufel auf die arme Seele“. Nach dem Vorsprechen sagte er ihr: „Ich muss Sie haben.“ – Angelika Hart lacht schallend: „Und wenn man so gewollt wird, lässt man sich gern verführen.“

WECHSEL aber auch in Heilbronn nach kurzer Zeit: Klaus Wagner und Jürgen Frahm gingen in den Ruhestand, Dr. Martin Roeder-Zerndt wurde beider Nachfolger als Theater-Manager. Angelika Hart erinnert sich: „Das war ein emotional schwieriger Wechsel für viele.“ Viele Stars der Wagner-Ära mussten gehen – „dieser Bruch hat belastet“. Zunächst fremdelte sie mit den neuen Ensemble-Mitgliedern. Aber heute ist die Crew zusammengewachsen, „wir stehen zu dem, was wir machen“. Wie bewertet die Schauspielerin den spürbaren Zuschauer-Rückgang: „Es trifft uns, wenn wir abgelehnt werden – und wir diskutieren viel, wie das Ruder herumgerissen werden kann.“ Angelika Hart will der Kontroverse ums Theater und dem daraus resultierenden Weggang des Intendanten im Jahr 2008 mit einem ganz schlichten Konzept begegnen: „Mit gutem Theater.“

AN HEILBRONN gefällt ihr, dass ihre Kinder sich hier wohl fühlen – und vor allem das Mineralwasser, „wegen der Osteoporose, das nehme ich sogar mit in den Urlaub“. Als alleinerziehende und berufstätigeMutter wünscht sie sich allerdings mehr Ganztagsschulen in Baden-Württemberg. Lieblingsrollen, die sie sich noch für die Bühne wünscht? „Lady Macbeth will ich noch spielen, ansonsten viele böse, große, starke Frauen.“

echo am Sonntag

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